Von Tape Lago – Frankfurt. In der Bankenmetropole demonstrierten am Samstag, 23. März, nach Veranstalterangaben weit über 3000 Menschen gegen den Rechtsruck und für eine Aufklärung des „Nazi-Skandals“ bei der hessischen, besonders Frankfurter Polizei. Die Demonstrierenden wollten auch ihre Solidarität mit allen Betroffenen rassistischer Gewalt kundtun. Die Frankfurter Polizei bekam Unterstützung aus Berlin und Bayern. Sie war vor Ort mit schwerem Gerät und tausenden Kräften.
Die Polizei stand während der gesamten Demonstration massiv in der Kritik und ließ ihre Muskeln spielen. Es gelang ihr nicht, die kraftvolle, lautstarke und bunte Demonstration gegen sie kleinzuhalten.
Tausende PolizistInnen sollen im Einsatz gewesen sein. Zudem begleiteten drei Wasserwerfer und ein Räumpanzer die Demonstration gegen den Rechtsruck in Staat und Gesellschaft. Damit habe die Frankfurter Polizei ihre Macht demonstrieren wollen, so der Eindruck vieler TeilnehmerInnen. Sie habe mit dem überdimensionalen und martialischen Aufgebot die Demonstrierenden kriminalisieren, einschüchtern und ihren Protest kleinhalten wollen. Doch sie ließen sich nicht kleinkriegen und protestierten kreativ, bunt und lautstark gegen das nationalsozialistische Netzwerk innerhalb der Frankfurter Polizei.
„Kein Schlussstrich“: Transparent-Aktion mit Rauchtöpfen
Zu der Demonstration hatte ein breites Bündnis von antifaschistischen und linken Organisationen aufgerufen. Auch ÖkoLinX-Antirassistische Liste, die Partei der linken Politikerin Jutta Ditfurth, rief zur Demo auf und beteiligte sich an ihr.
Höhepunkt der Demonstration war eine Aktion mit einem Riesen-Transparent. Kurz vor dem Eschenheimer Tor entrollten die TeilnehmerInnen im vorderen Teil der Demonstration ein 200-Quadratmeter-Transparent mit der Aufschrift „Kein Schlussstrich“ über ihren Köpfen und zündeten mehrere Rauchtöpfe an. Das war eine noch nie dagewesene kreative Aktion.
Offenbar wollten Berliner Polizisten den vorderen Teil der Demo angreifen, wurden jedoch von der Einsatzleitung gestoppt. „So lange sie nichts auf uns werfen, nichts tun“, soll die Einsatzleitung befohlen haben. Tatsächlich hatten die Demonstrierenden offenkundig keinesfalls die Absicht, die Polizei anzugreifen.
Vielmehr wollten sie auf kreative Weise ihre Wut auf die Polizei und deren mutmaßliches rassistisches Netzwerk zum Ausdruck bringen. „Überall Polizei, nirgendwo Gerechtigkeit“ skandierten sie, als die Polizei den Demonstrationszug stoppte. „Nazis morden, der Staat macht mit, der NSU war nicht zu dritt“, protestierten die Demonstrierenden weiter.
Willkürliche Festnahme an der Hauptwache
Während der Demonstration in der Innenstadt nahmen Polizisten einige Personen fest. Doch die Polizei sprach nur von Personenkontrollen und Identitätsfeststellung. Als der Demonstrationszug gegen 17.30 Uhr die Hauptwache erreichte und während der Abschlusskundgebung konzentrierte sich die Polizei auf die Schuhe der TeilnehmerInnen und filmte sie. Doch die Demonstrierenden schlossen sich zusammen, sodass es zu keinen Festnahmen kommen konnte.
Nach der Abschlusskundgebung an der Hauptwache gab es jedoch eine willkürlich und gewaltsam wirkende Festnahme. Eine Frau, die angeblich „Farbe“ an ihren Schuhen gehabt haben soll, wurde in der B-Ebene von mehreren Polizisten gepackt, weggetragen und anschließend festgenommen. Der Grund für die Festnahme: Die Frau soll an der Transparent-Aktion mit Rauchtöpfen beteiligt gewesen sein. Ein Mann, dem ebenfalls von der Polizei gedroht wurde, wehrte sich und konnte nicht festgenommen werden. Bei der Festnahme der Frau kam es auch zur Behinderung der freien Berichterstattung.
Nazis und Rechtsradikale in Polizei und Verfassungsschutz
Aus Sicht von Jutta Ditfurth (ÖkoLinX-Antirassistische Liste), Mitglied der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung, war die Demonstration „unglaublich“ wichtig, um klar zu machen, dass es Widerstand gegen die Rechtsentwicklung in Staat und Gesellschaft gebe. Man habe an dieser Demo teilnehmen müssen, denn die Rechtsentwicklung in Deutschland sei eine Katastrophe.
Teil dieser Rechtsentwicklung sei es auch, dass sich offensichtlich in den staatlichen Apparaten, etwa im Verfassungsschutz und bei der Polizei, immer mehr Neonazis und Rechtsradikale breit machten und durchaus einflussreiche Positionen bekleideten, so die linke Politikerin. Ditfurth kritisierte auch die AfD und die starke Verschiebung der Gesellschaft nach Rechts.
Gegen den Rechtsruck auf der Straße
Die Auftaktkundgebung hatte wie geplant um 14 Uhr am Kaisersack gegenüber dem Hauptbahnhof begonnen. Der Platz war voller Menschen. Angereist waren tausende TeilnehmerInnen aus mehreren Bundesländern. Bereits vor Beginn der Demonstration führte die Polizei Personenkontrollen im Bahnhofsviertel und in der Innenstadt durch. Ziel dieser Maßnahme sei es gewesen, DemonstrantInnen zu identifizieren und ihren Anreisestartpunkt festzustellen.
Während der einstündigen Kundgebung kritisierten die RednerInnen die rassistischen und nationalsozialistischen Netzwerke in der Polizei und Bundeswehr. Auch der strukturelle Rassismus in den Behörden wurde angeprangert. Obwohl die Kundgebung friedlich ablief und keine Gefahr bestand, wurden die KundgebungsteilnehmerInnen von der Polizei gefilmt. Dies führte zu einer angespannten Stimmung zwischen DemonstrantInnen und Polizei. Die Redebeiträge wurden unter anderem von den Gruppen „Bahnhofsviertel solidarisch“, „NSU-Watch Hessen“, und der Kölner Initiative „Keupstraße ist überall“ gehalten.
Laustarke und bunte Demo in der Innenstadt
Der Demonstrationszug setze sich kurz nach 15 Uhr in Richtung Innenstadt in Bewegung. Die TeilnehmerInnen, unter denen auch viele AntifaschistInnen waren, skandierten lautstark, „ganz Frankfurt hasst die Polizei. Die ganze Welt hasst die Polizei“. Vom Kaisersack über den Willy-Brandt-Platz und die Kurt-Schumacher-Straße liefen PolizistInnen im Spalier dicht bei der Demonstration. Es gab zwei bis drei Polizeireihen neben dem Demozug. Genervt von der Machtdemonstration der Polizei riefen die TeilnehmerInnen lauthals „Haut ab – Haut ab“. Am 1. Polizeirevier, wo der „Nazi-Skandal“ aufgedeckt wurde, skandierten die Demonstrierenden wütend und sehr laut „Nazischweine – Nazischweine“.
Anlass der Demonstration waren die Drohbriefe an Seda Başay-Yıldız, Nebenklagevertreterin im NSU-Prozess, in denen die VerfasserInnen auf polizeiinterne Informationen aus den Computern des 1. Polizeireviers zurückgegriffen hatten. Weitere Ermittlungen brachten neonazistische Netzwerke und rassistische Äußerungen von PolizistInnen zutage. Auch in München teilten Beamte antisemitische Videos in einem Chat. Daher fragten sich viele DemonstrantInnen, wann in Politik und Gesellschaft endlich über Rassismus in der Polizei gesprochen wird.
Folgende Organisationen, Gruppen und Initiativen riefen zu der Demonstration auf und beteiligten sich:
Seebrücke Frankfurt
Antifa United Frankfurt
kritik&praxis
…umsGanze!
Nationalismus ist keine Alternative
Centro Rödelheim
FfeM.
AK069
ÖkoLinX-Antirassististische Liste Frankfurt
Ökologische Linke (ÖkoLinX)
Landungsbrücken Frankfurt
Nein zum Polizeistaat
Cafe KOZ
Autonomes Frauen Sternchen Lesben-Referat Frankfurt
Kritische Jurist_innen an der Uni Frankfurt
Copwatch Leipzig
Antifaschistische Gruppe Hannover
Project.Shelter – Frankfurt
Interventionistische Linke Darmstadt
Erwerbslosenverein Tacheles Wuppertal
Münchner Bündnis gegen Naziterror und Rassismus – Kampagne Kein Schlussstrich
AStA Universität Frankfurt
Grüne Hochschulgruppe an der Uni Frankfurt
MLPD Landesleitung Rheinland-Pfalz Hessen Saarland
noNPOG – Nein zum neuen niedersächsischen Polizeigesetz
Sachsens Demokratie
FAU Frankfurt – Gewerkschaft für alle Berufe
Offenes Antifaschistisches Treffen Landau in der Pfalz
Offenes Antifaschistisches Treffen Mannheim
Offenes Antifaschistisches Treffen Karlsruhe
Antifa Mainz
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