Von Andreas Scheffel – Rom/Berlin. Das 37,5 m lange Schiff unter italienischer Flagge, mit dem Namen „Mare Jonio“, welches von dem zivilgesellschaftlichen Projekt „Mediterranea“ in Zusammenarbeit mit Sea-Watch betrieben wird, ist heute, am 4. Oktober, in Richtung zentrales Mittelmeer aufgebrochen. Begleitet von der „Astral“ der spanischen NGO „Proactiva Open Arms“ soll die „Mare Jonio“ an der tödlichsten Grenze der Welt die zivile Seenotrettung weiterführen. Die Zahl der Todesopfer lag aufgrund der anhaltenden Blockade ziviler Seenotrettung auf einem Rekordniveau. „Mare Jonio“ erreiche heute die internationalen Gewässer, teilte die NGO in einer Presseerklärung mit.
Am fünften Jahrestag des tödlichen Schiffsunglücks vom 3. Oktober 2013 ist die „Mare Jonio“ in Richtung der Such- und Rettungszone im zentralen Mittelmeer aufgebrochen. Nachdem die „Sea-Watch 3“ und andere Rettungsschiffe in Malta willkürlich festgesetzt wurden und der „MS Aquarius“ die Flagge auf politischen Druck der italienischen Regierung entzogen wurde, stellen die „Mare Jonio“ und ihre Eskorte die einzigen dezidierten Rettungskräfte im Gebiet dar.
Das Rettungsschiff Mare Jonio auf dem Weg Richtung zentrales Mittelmeer
Im September starb nach offiziellen Angaben der IOM (Internationale Organisation für Migration) mehr als jede zehnte Person, die versuchte, von Nordafrika nach Italien zu gelangen. Tatsächlich dürfte die Zahl der Todesopfer jedoch viel höher sein, da sich kaum ZeugInnen in der Such- und Rettungszone befinden, um von den tödlichen Folgen der europäischen Grenzpolitik zu berichten. „Die Rettung auf See – ein Zeichen unserer gemeinsamen Menschlichkeit – wurde von der Politik als Geisel genommen“, erklärte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi am Montag.
Europäische Blockaden überwinden
Erst diesen Montag entdeckte die Flugbesatzung der „Colibri“ eine treibende Leiche. Dies könnte ein weiterer Hinweis auf unbeachtet gebliebene Tragödien im Mittelmeer sein. „Die Zivilgesellschaft müsse jetzt Position beziehen, aus diesem Grund unterstützt „Sea-Watch“ das Projekt „Mediterranea“ von Anfang an, sowohl finanziell als auch mit Besatzung und ihrem Wissen, was die zahlreichen Rettungseinsätze belegen. Die europäischen Staaten haben mehr als deutlich gemacht, dass sie Menschen lieber ertrinken, als auf europäischem Boden ankommen zu lassen. Die „Mare Jonio“ setzt ein Zeichen, dass die Zivilgesellschaft die europäischen Werte noch nicht aufgegeben hat und bereit ist, die Menschenrechte auf See weiter zu verteidigen“, sagt der Vorsitzende von Sea-Watch, Johannes Bayer.
Tilman Telteman, Sea-Watch-Crewmitglied vor Ort erklärt: „Wir freuen uns, dass mit unseren Freunden auf der „Astral“ und der „Mare Jonio“, begleitet vom Aufklärungsflugzeug „Colibri“, jetzt zumindest eine kleine zivile Flotte auf dem Weg in den tödlichsten Gewässern der Welt ist. Wir haben wenige Möglichkeiten und geringe Kapazitäten, aber die großen Rettungsschiffe sind im Hafen festgesetzt, also tun wir, was wir können.“
Zivilgesellschaftliche Initiative aus Italien
„Mediterranea“ ist eine italienische zivilgesellschaftliche Initiative, der auch „Sea-Watch“ angehört. „Wir wollen gemeinsam Menschenleben retten und zugleich die europäische Gesellschaft vor ihrer Entmenschlichung bewahren. Durch den Akt der zivilen Seenotrettung wollen wir auf die Idee einer Gesellschaft zurückkommen, die auf Solidarität und gleichen Rechten für alle beruht. Wenn der Pass einen Unterschied bei der Rettung von Menschenleben macht, wenn die Menschenwürde verletzt wird, sind die Grundlagen unserer Gesellschaft in Gefahr“, erklärt Giorgia Linardi, Sea-Watch-Sprecherin in Italien und fügte hinzu: „Die „Mare Jonio“ wird spätestens Samstag die SAR-Zone erreichen.
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