Von Lotta Thalmann – Neustadt. In Neustadt an der Weinstraße gab es am Sonntag, 12. August, eine Demonstration „Gerechtigkeit für Nikola“. Anmelderin war Janine Filbrich aus Neustadt. Sie behauptete, mit der Aktion nur die betroffene Familie unterstützen zu wollen. Verbandelt ist sie mit „Mütter gegen Gewalt“ – das Original – aus Bottrop. Ihr zur Seite standen das Aktionsbündnis „Sag ihre Namen – gemeinsam für Deutschland“ und das sogenannte „Frauenbündnis Kandel – Zusammenhalt für Deutschland“.
Offenbar gab es in Neustadt Kritik aus den eigenen Reihen. Die OrganisatorInnen dürften gewusst haben, wen sie einluden. Neben Marco Kurz war das Ralph Bühler aus dem Kreis Heidelberg (AfD, JA, Hand-in-Hand und andere rechte Verbindungen). In der Vorwoche hatte er eine Veranstaltung der Grünen in Schwetzingen gestört. In einem Livestream regte er sich über „die linken Zecken“ auf.
Verbrechen trotz Kontaktverbot
Anlass des Aufmarschs in Neustadt war der gewaltsame Tod der 19-jährigen Nikole H.. Sie wurde von ihrem Exfreund erstochen. Die beiden haben ein gemeinsames, sieben Monate altes Baby. Erneut wird solch eine furchtbare Tat benutzt und instrumentalisiert. Denn der mutmaßliche Täter ist Türke.
Bisher traf sich das „besorgte Volk“ nicht auf der Straße, wenn ein sogenannter „Biodeutscher“ seine deutsche Ex-Partnerin umbringt. Sondern ausschließlich und mit Vorliebe dann, wenn es sich um Flüchtlinge, Zuwanderer und vor allem Menschen islamischen Glaubens handelt.
Der Täter durfte sich seit dem 27. April der Mutter seines Kindes nicht mehr nähern. Es gab ein rechtskräftiges Kontaktverbot. Er hatte eine Bewährungsstafe von einem Jahr und 10 Monaten erhalten, weil er seine Exfreundin geschlagen und gewürgt hatte. Und muss er sich vor Gericht für den Tod seiner Exfreundin verantworten.
Hetzparolen bei „Trauerfeier“
Etwa 80 angeblich besorgte Frauen und Männer, die vehement behaupteten, keine Rechte, keine Rassisten und keine Neonazis zu sein, sammelten sich in Neustadt vor dem Saalbau nahe beim Bahnhof. Sie forderten „mehr Schutz für Frauen und Kinder“, wandten sich gegen eine angebliche „Kuscheljustiz für Mörder“ und verlangten von politisch Verantwortlichen, „konsequent und hart durchzugreifen“.
Marco Kurz, der letztes Jahr mit seinem so genannten „Marsch17“ mit einer halben Millionen Gleichgesinnter den Bundestag stürmen wollte, forderte ein „lebenswertes Miteinander“. Als unpolitische Veranstaltung angemeldet, war von Trauer nicht viel zu spüren. Dafür waren um so mehr demokratiefeindliche Hetzparolen zu hören. „Merkel ist noch an der Macht, gebt auf eure Kinder acht“, „Merkel muss weg“. Bei „Festung Europa macht die Grenzen dicht“ erfreuten sich die „Trauernden“ ersichtlich an den tausenden Menschen, die im Mittelmeer ertrunken sind.
Kritik an der Anklage
Die „Trauernden“ kritisierten auch, dass die Anklage nur auf Totschlag und nicht auf Mord lautet. Dass Ermittlungsverfahren und Gerichtsprozesse zwei unterschiedliche Dinge sind, versuchte Karin Jörns von den Grünen der aufgeregten Menge zu erklären, nachdem Marco Kurz ihr großzügig das Mikrofon übergeben hatte. Die Begriffe Mord und Totschlag sind sehr genau definiert und müssen durch die Ermittlungsergebnisse erst bestätigt werden.
Jörns verurteilte die Demonstration zu Lasten einer Toten als Instrumentalisierung. Es sei schlimm, dass eine Trauerfeier für jemand, der erstochen wurde, zu einer rechten Veranstaltung umgemünzt werde. Die Reaktionen waren entsprechend. Ordner und andere beruhigten diverse erhitzte Gemüter, um komplette verbale Entgleisungen zu verhindern.
Anzeige gegen Pressefotograf
Julia Juls trat als Sängerin auf und präsentierte mit „Engelskind“ ein eigenes komponiertes Lied. Der Applaus war sehr einseitig. Es gab auch eine Schweigeminute, die aber nur eine halbe war. Diffamierungen, Beleidigungen und Provokationen der Redner von der „Treppe“ aus gegen AntifaschistInnen gehörten zum normalen Repertoire der „Trauernden“.
Eine andere Gegendemonstrantin wurde sofort von einer der „besorgten Mütter “ geschubst, weil sie Fotos machte. Ein Rechter erstattete Anzeige gegen einen Pressefotografen. Sein Presseausweis nutzte ihm nichts. Die Anzeige wurde von der Polizei mit der Begründung aufgenommen, dass die neue Datenschutzgrundverordnung die Rechtslage verändert habe. Tatsächlich dürfen Journalisten auch weiterhin im öffentlichen Raum fotografieren.
Deutschlandfahne mit Landeswappen
Das lokale Bündnis „Neustadt gegen Rechts“ wollte dieser ersten Demonstration nicht durch Protest zusätzliche Bedeutung verleihen. So blieb der Protest mit etwa 40 TeilnehmerInnen schwach. Unter anderem beteiligten sich das Männerbündnis Kandel, KKA (Kurfürstlich Kurpfälzische Antifa) und andere antifaschistische Gruppen aus der Pfalz, etwa aus Alzey.
Die Polizei musste von einem Teil der AntifaschistInnen erst auf das Recht einer unangemeldeten Versammlung hingewiesen werden, bei der auch gepfiffen und Parolen gerufen werden dürfen. Sie beharrten darauf, dass ein Rechter, der seine Deutschlandfahne schwenkte, auf der sich auch das rheinland-pfälzische Wappen befand, diese einpacken müsse. Das Verwenden des Landeswappens ist Privatpersonen untersagt. Die Polizei musste erst googeln, um das festzustellen. Insgesamt war die Polizeipräsenz überschaubar. Die Beamten ließen die AntifaschistInnen zwar nicht aus den Augen, aber weitgehend in Ruhe.
Video
Weitere Bilder des Tages
Folge uns!