Heidelberg. „Wir bestehen trotz aller staatlichen Vertuschungsversuche darauf, dass dieses Urteil keinen Schlussstrich unter den staatlich geförderten Naziterror bedeutet“: Die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) hat am Sonntag, 8. Juli, Straßen in verschiedenen Stadtteilen nach den Opfern der NSU-Mordserie benannt. Dabei wurden Straßenschilder mit Aufklebern umgewidmet. Die Heidelberger Polizei habe „mit einem massiven Einsatz“ vergeblich versucht, das Gedenken zu unterbinden, heißt es in einer Pressemitteilung der AIHD.
„Wenige Tage vor der Urteilsverkündung im Münchner Prozess gegen Beate Zschäpe und ihre Mittäter klingt das Versprechen der Kanzlerin, die Ereignisse würden lückenlos aufgeklärt, nur noch wie ein zynischer Scherz“, so das bittere Urteil. Bundesanwaltschaft und Gericht hätten sich von Anfang auf die „ersichtlich absurde Theorie“ vom abgeschottet und isoliert agierenden Mordtrio festgelegt, obwohl alle Fakten belegten, dass es so nicht gewesen sein könne.
„Geschützt werden damit nicht nur die immer noch bundesweit agierenden Nazistrukturen, sondern vor allem die Verfolgungsbehörden und der Inlandsgeheimdienst“, erklärt die AIHD weiter. Im Prozess sei mit allen Mitteln und gegen den Widerstand der OpferanwältInnen verhindert worden, deren Verstrickung in die Mordserie aufzuklären.
Die Initiative wolle „den Opfern Gesicht, Namen und Würde wiedergeben, die ihnen durch die Farce dieses Prozesses erneut genommen wurden.“ Daher habe man in verschiedenen Heidelberger Stadtteilen Straßen symbolisch umbenannt. Sie sollten an die bislang bekannten Mordopfer des NSU Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru, Süleyman Tasköprü, Habil Kilic, Mehmet Turgut, Ismail Yasar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubasik und Halit Yozgat erinnern.
Die Heidelberger Polizei habe gegen mehrere Personen Strafanzeige wegen Sachbeschädigung durch Aufkleber beim Dezernat Staatsschutz erstattet. Die Beamten hätten versucht, Zeugen, die das Geschehen dokumentieren wollten, die Kamera aus der Hand zu schlagen und gewaltsam zu entreißen. Noch in der Nacht seien viele der umbenannten Straßenschilder komplett abmontiert worden: „Das Gedenken an die Opfer wird offenbar nach wie vor als Angriff auf die Grundfesten des deutschen Staates betrachtet“, schließt die AIHD daraus.
Sie bestehe „trotz aller staatlichen Vertuschungsversuche (in Hessen beispielsweise sollen die NSU-Akten 120 Jahre unter Verschluss bleiben!) darauf, dass dieses Urteil keinen Schlussstrich unter den staatlich geförderten Naziterror bedeutet.“ Ihre Solidarität gelte auch weiterhin denen, „die durch staatliche und rassistische Kampagnen zu ‚Fremden‘ erklärt und zum Abschuss freigegeben wurden.“
Die AIHD, die in der Interventionistischen Linken organisiert ist, fordert die Einstellung aller Verfahren in Zusammenhang mit der Straßen-Umbenennung. Denn Erinnern sei kein Verbrechen, sondern notwendig.
Am Mittwoch, 11. Juli, soll die Urteilsverkündung im NSU-Prozess in München erfolgen.
In verschiedenen Städten wird zu Kundgebungen und/oder Demos unter dem Motto „Kein Schlussstrich“ aufgerufen.
München: Ganztägige Kundgebung ab 8 Uhr morgens und Demo ab 18 Uhr vor dem Gericht in der Nymphenburger Straße 16!
Verschiedene Städte: Infos unter https://nsuprozess.net/…/09/anreise-und-dezentrale-aktionen/
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