Neckarwestheim. Das Bündnis „Neckar castorfrei“ wirft den Behörden ein „Bündel haarsträubender Schlampereien“ bei den Castor-Transporten auf dem Neckar vor. Symptomatisch sei, dass die Polizei am Samstag, 11. Oktober, beim dritten Transport banal nur von „ausgedienten Brennelementen“ schrieb. Dabei enthielten Castoren den gefährlichsten Müll, den die Menschheit kennt: hochradioaktiven, langfristig heißen und Millionen Jahre lang strahlenden, tödlichen Atommüll. Derzeit werden Vorbereitungen für weitere Transporte getroffen.
In Fachkreisen gelten „EVA“ und „SEWD“ als die ganz großen, kaum beherrschbaren Risiken von Castor-Transporten, so das Bündnis: Das seien „Einwirkungen von außen“ und „Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter“, also besonders die Möglichkeit gezielter Anschläge auf die Transporte mit Zerstörung eines Castors.
Die langsamen Schiffstransporte seien besonders verletzlich – in extremer Form bei Wendemanövern und an Schleusen. Die „EVA“ und „SEWD“ betreffenden Teile der Genehmigung seien geheim, einer öffentlichen Beurteilung also entzogen. Das tatsächliche Handeln der Polizei beim Transport spreche dagegen eine deutliche Sprache, kritisiert das Bündnis. Es hält die Polizei für „entweder unfähig oder unwillig, auch nur elementare Maßnahmen zur Sicherung der Castor-Transporte vor gefährlichen Einwirkungen zu erledigen“.
„Polizei hatte Strecke nicht unter Kontrolle“
„Neckar castorfrei“ führt Beispiele an: Beim dritten Transport sei die Polizeipräsenz massiv verringert worden, sogar schwächer gewesen als bei der Leerfahrt vor dem zweiten Transport. Der Transport sei im Dunkeln gestartet. Ein „waghalsiges Wendemanöver vor der Schleuse Guttenbach“ habe ebenfalls im Dunkeln stattgefunden, das Castor-Schiff dabei nur wenig Abstand zum Ufer gehabt.
Das Bündnis wirft der Polizei überdies vor, Brücken zu spät für den Verkehr gesperrt und zu früh wieder frei gegeben zu haben. Auch habe sie die Flussufer entlang der Strecke nicht unter Kontrolle gehabt und den Transport durchgängig auch dort zugelassen, wo Menschen direkt am Ufer waren.
Chaos und Kompetenzwirrwarr
Bei der Verkehrsregelung wie im Umgang mit den Protestaktionen habe sich bei allen drei Transporten „ein Kompetenzwirrwarr und Kommunikationschaos bei der Polizei“ gezeigt. Schon allein Landkreisgrenzen hätten zu Verzögerungen bei den Polizeimaßnahmen geführt.
Die Polizei habe 25 Minuten gebraucht, um die schwimmenden Robin Wood-DemonstrantInnen aus dem Wasser zu holen. „Was wäre gewesen, wenn das nicht politischer Protest gewesen wäre, sondern wenn statt dessen kriminelle oder terroristische Angreifer im Wasser gewesen wären“, fragt das Bündnis.
Keine Sicherheit vor terroristischen Angreifern
Es kritisiert außerdem, dass die Polizei den Transport unter der Brücke der Schleuse Gundelsheim hindurch fahren und dann in die Schleusenkammer einsperren ließ, obwohl noch angekettete DemonstrantInnen direkt oberhalb auf der Brücke waren. Wären sie kriminelle oder terroristische Angreifer gewesen, hätten sie beispielsweise jederzeit leicht ihre Rucksäcke auf das Schiff werfen können.
Beim Brücken-Protest habe die Polizei das Castor-Schiff sogar unter zwei ihr unbekannten Autos hindurch fahren lassen. Sie seien wie die Rucksäcke erst durchsucht worden, als das Castor-Schiff längst weiter gefahren war. Die Polizei habe die Autos sogar aktiv auf der Brücke festgehalten, statt sie aus dem möglichen Einwirkungsbereich auf den Transport wegfahren zu lassen.
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„Polizei vernachlässigt tatsächliche Gefahren“
Der Vorwurf des Bündnisses Neckar castorfrei: „Offensichtlich konzentriert sich die Polizei nur auf die Behinderung des politischen Protests und vergisst komplett die Sicherung der Transporte vor den tatsächlichen Gefahren.“
Der dritte Transport wurde durch die Protestaktionen bei Gundelsheim etwa 45 Minuten lang aufgehalten. Sie Zeitverzögerung sei durch Langsamfahrt zwischen Neckarzimmern und Gundelsheim verschleiert worden, so das Bündnis. Es vermutet, dass das „falsche Ziel, den Transport unbedingt als unbeeinflusst erscheinen zu lassen“, die Erklärung für die „unverantwortliche Entscheidung der Polizei“ sei, den Transport durch die Schleuse Gundelsheim zu schicken, obwohl die Brücke nicht frei war.
Behörden verharmlosen Strahlengefahr
Das Bündnis kritisiert auch, dass die Polizei in Heilbronn und Lauffen Flugdrohnen in verbotenen Bereichen am Fluss und über Menschenansammlungen einsetzte. Sie habe damit selbst den Transport und die Menschen gefährdet.
Das Bündnis wirft der AKW-Betreiberfirma EnBW, der Umweltbehörde LUBW und dem Umweltministerium Baden-Württemberg überdies vor, die Strahlenbelastung zu verschleiern. Sie verharmlosten „die massive Gamma- und Neutronenstrahlung, die von den Castor-Transporten ausgeht“.
Nicht mal Kinder vom Ufer weggeschickt
Es möge sein, dass die Strahlung noch im gesetzlich erlaubten und von den Verantwortlichen erwarteten Bereich liegt. Sie sei aber trotzdem auffällig und stark erhöht. Für radioaktive Strahlung gebe es keine sicheren Grenzwerte. Die Grundsätze des Strahlenschutzes und das Recht auf körperliche Unversehrtheit verlangten, alle zusätzlichen Gefährdungen so gering wie möglich zu halten.
Transportpersonal und Polizei ließen jedoch elementare Maßnahmen zum Selbstschutz gegen Strahlung vermissen. Die Bevölkerung werde v0n den Behörden nicht vor der Strahlung und anderen Gefahren der Transporte gewarnt. Die Polizei schicke noch nicht einmal Kinder von Ufer weg. „Unverantwortlich“, so das Urteil des Bündnisses, zu dessen Forderungen ein sofortiger Stopp weiterer Atommüllproduktion in Neckarwestheim und Philippsburg gehört.
Unsere bisherigen Beiträge zum Thema „Castortransport“ können hier nachgelesen werden.
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