Reutlingen. H&M (Hennes und Mauritz) kann dem Betriebsratsvorsitzenden seiner Tübinger Filiale nicht kündigen. Die Textilhandels-Kette unterlag am Dienstag, 20. Juni, vor der 2. Kammer des Reutlinger Arbeitsgerichts unter Vorsitz der Direktorin des Gerichts Betina Rieker. Die Firma hatte versucht, sich von der Kammer die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung ersetzen zu lassen – vergeblich.
Nach einem Bericht des in Tübingen erscheinenden „Schwäbischen Tagblatts“ stand in der Verhandlung Aussage gegen Aussage. Dabei ging es um ein Vier-Augen-Gespräch zwischen dem Tübinger Betriebsratsvorsitzenden und der Filialleiterin am 20. Januar 2017. Die Filialleiterin behauptete, der Betriebsrats-Chef habe Gehaltserhöhungen für sich und seine beiden Betriebsratskolleginnen gefordert und dafür weniger Probleme in der Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat in Aussicht gestellt. Andernfalls gäbe es „Krieg“ – weshalb H&M von einen irreparabel zerstörten Vertrauensverhältnis sprach.
Der Betriebsratsvorsitzende stritt den Vorwurf vehement ab. In dem Gespräch sei es zwar um das Thema Gehaltserhöhung und später auch um die Konflikte und die Stimmung im Betrieb gegangen. So sei etwa über die Umwandlung von Teilzeit- in Vollzeitstellen gesprochen worden. Er habe aber keine Verknüpfung zwischen den Themen hergestellt.
Betriebsräte haben einen besonderen Kündigungsschutz. Für eine außerordentliche Kündigung müsste ein wichtiger Grund vorliegen. Den sah die Kammer jedoch nicht als erwiesen an.
„Das Gericht hat in unseren Augen richtig entschieden, um der Willkür mancher Arbeitgeber nicht Tür und Tor zu öffnen“, zitiert die Zeitung den Reutlinger Verdi-Sekretär Jan Bleckert. H&M betreibe derzeit in Tübingen, Bonn und Kaiserslautern Verfahren gegen Betriebsräte. Insgesamt zehn Verfahren gegen gewerkschaftlich organisierte Betriebsräte, denen es kündigen wollte, habe die Firma bereits angestrengt und allesamt verloren.
Die Stimmung in der Tübinger Filiale von H&M wurde von Beschäftigten Pressevertretern gegenüber als sehr schlecht beschrieben. Der Tübinger Betriebsratsvorsitzende sei bekannt dafür, das Problem mit den Teilzeitverträgen im Betrieb anzugehen, so Verdi-Sekretär Beckert. Daher sei er der Geschäftsleitung „ein Dorn im Auge“.
Der Gewerkschaft Verdi zufolge hat das Vorgehen von H&M, „engagierte Interessensvertretungen zu diffamieren, zu bekämpfen und auszugrenzen“, eine lange Tradition. Verdi verurteilte schon vor dem Spruch der Kammer das Vorgehen von H&M in der Filiale Tübingen „auf das Schärfste“. „Es muss endlich Schluss mit diesen Union- busting-Methoden sein“, fordert die Gewerkschaft. Bezirkssekretär Bleckert sprach von einem „unsoziales und undemokratischen Verhalten durch H&M“.
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