Von Alfred Denzinger – Schorndorf. Die Stimmung war bestens, die Andrang eher schwach. Rund 50 Menschen kamen am Samstag, 1. April, zum Konzert „Rock gegen Rechts“ der beiden Initiativen Rems-Murr nazifrei! und Gemeinsam gegen Rechts Rems-Murr in die Manufaktur nach Schorndorf. Beim letztjährigen Konzert waren es über 200 BesucherInnen (wir berichteten). Auf der Bühne waren The Rolacas, Lamagra und Einheizfront.
Unter dem Motto „Laut gegen rechte Gewalt“ wurde gesungen und getanzt. Die Musikrichtungen waren so unterschiedlich wie das Alter des Publikums. Letzteres reichte von 18 bis ins höhere Rentenalter. The Rolacas präsentierten melancholische Popmusik, Lamagra begeisterte mit einer gelungenen Mischung aus hartem und gleichzeitig melodischem Death-/ Thrash Metal, und die Jungs der Einheizfront überzeugten generationsübergreifend mit Songs der unsterblichen Ton, Steine, Scherben.
Alex, der Sänger von Lamagra, bedankte sich beim Veranstalter für dessen jahrelanges Engagement gegen Rechts und lobte auch die Arbeit der Beobachter News.
Gegen Ende des Konzerts überraschte Alex spontan mit einem Gemeinschaftsauftritt mit der Einheizfront.
Vor dem Saal gab es Infotische des AABS (Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart und Region), der Antifaschistischen Jugend Rems-Murr (AJRM), der Jusos, der MLPD, von Amnesty International und unseres Online-Magazins Beobachter News mit Postern und der Möglichkeit, ein Förder-Abo zu zeichnen.
Das Motto „Laut gegen rechte Gewalt“ entstand als Reaktion auf den Winterbacher Neonazi-Brandanschlag. In der Nacht vom 9. auf den 10. April 2011 überfiel eine Nazigruppe neun Migranten auf einem Gartengrundstück in Winterbach. Nach Schlägen, Tritten, einer mörderischen Hetzjagd und einem Brandanschlag kamen die Betroffenen nur durch Glück mit ihrem Leben davon.
Kommentar: Leeres Ritual?
Leeres Ritual? So lautete die Überschrift des Berichts über das diesjährige Rock gegen Rechts in der Waiblinger Kreiszeitung. Thomas Milz fragt in seinem Artikel: „Sind die antifaschistischen Formen des Protestes zu leeren Ritualen geworden?“ Eine absolut berechtigte Frage – zumindest in Bezug auf das Konzert. Es entsteht tatsächlich der Eindruck, als nehme (fast) niemand (mehr) das Thema ernst. An was könnte das liegen?
Kultur und Protest leben nicht von stiller Zustimmung, sondern von aktiver Beteiligung
Im Zeitalter von Facebook und Co. ist es sehr leicht, mit einem „gefällt mir“-Klick sein Gewissen zu beruhigen. Dieser Klick geht bei einer Ankündigung für ein Rock gegen Rechts-Konzert leicht von der Hand und ist sehr bequem vom Sofa aus machbar. Man braucht dazu seinen Arsch nicht bewegen. Nur eins vergessen die „gefällt-mir-Klicker“ bei der Sache: Kultur, Protest und Widerstand leben nicht von stiller Zustimmung und Abwarten, sondern von aktiver Beteiligung!
Wer sich selbst nicht ernst nimmt …
Das diesjährige Rock gegen Rechts wurde von den beiden Initiativen Rems-Murr nazifrei! und Gemeinsam gegen Rechts Rems-Murr initiiert. Diese beiden Gruppierungen bestehen unter anderem aus Organisationen wie zum Beispiel DGB, Attac, Die Linke, Jusos, MLPD, VVN-BdA, Zusammen kämpfen, DKP … insgesamt rund zwanzig politisch aktive Gruppen. Hinzu kommen noch einige Einzelpersonen.
Hätte nun jede Gruppe in ihren eigenen Reihen entsprechend für die Teilnahme am Konzert geworben, wären gut und gerne 200 Leute in der Manufaktur aus dem eigenen Umfeld erschienen. Wenn man aber seine eigene Sache nicht ernst nimmt, dann darf man sich nicht wundern, wenn Außenstehende das Rock gegen Rechts im wahrsten Sinne des Wortes links liegen lassen.
Zu hoher Eintrittspreis?
10 Euro Eintritt sind für ein Konzert mit drei Bands nun eigentlich nicht wirklich überteuert. Aber es könnte schon mit dazu beigetragen haben, dass potentielle BesucherInnen mit wenig Geld in der Tasche abgeschreckt wurden. Es wäre sicher hilfreich gewesen, den Eintrittspreis im einstelligen Bereich zu belassen und auf die Spendenbereitschaft des zahlungskräftigeren Publikums zu vertrauen.
Ursprünglicher Anlass ging unter
In den letzten Jahren wurde der Anlass der Konzerte zusätzlich durch Demonstrationen und Kundgebungen hervorgehoben. In diesem Jahr wurde darauf gänzlich verzichtet. Auch auf dem Veranstaltungsflyer ist kein Hinweis auf den Jahrestag des Winterbacher Neonazi-Brandanschlags zu finden. Somit entstand für NichtkennerInnen der antifaschistischen Szene der Eindruck, es gäbe gar keinen wirklichen Anlass.
Die antifaschistische Bewegung im Rems-Murr-Kreis sollte ihre Aktivitäten überdenken und ausfeilen – und auf jeden Fall sich selbst ernst nehmen. Das ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass man von anderen ernst genommen wird. Wer selbst lieber im Sessel sitzt, wird andere nicht zum Aufstehen bewegen. Und Gründe, um gegen Rechts aufzustehen, gibt es nun wahrlich genug.
In diesem Sinne:
Man sieht sich… auf der Straße und im Konzertsaal! 😉
Weitere Bilder und Videos
Fotos: Alfred Denzinger / Videos: Andreas Scheffel
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