Von Christian Ratz – Hachenburg. Zum dritten Mal organisierte die Initiative „Gegen das Vergessen Hachenburg“ am Mittwoch, 28. Dezember, eine Gedenkveranstaltung für Nihad Yusufoglu und deportierte jüdische Mitbürger (siehe auch „Rechte Gewalt nicht in Vergessenheit geraten lassen„). Am 28. Dezember 1990 hatte ein gleichaltriger Neonazi den 17-jährigen kurdischen Flüchtling mit einem Messerstich in den Rücken getötet. Dem Verbrechen waren wochenlange Anfeindungen gegen die Familie und Angriffe auf ihre Wohnunterkunft vorausgegangen.
Stadtspitze und Teile der Bevölkerung wollen davon nichts mitbekommen haben, so heutige Aussagen. Ein weiteres Thema der Gedenkveranstaltung war der Terror gegen Juden während der NS-Zeit. Dutzende jüdische Mitbürger wurden in Vernichtungslager deportiert. In Hachenburg erinnern Stolpersteine, gestaltet von Günter Demnig, an ihr Schicksal. Die Stadt befindet sich heute im Epizentrum rechtsextremer Kräfte im ländlichen Raum.
Auch dieses Jahr hat die Familie, haben die Hinterbliebenden des getöteten Nihad Yusufoglu den Weg in den Westerwald gefunden, den sie wegen der rechtsradikalen Attacken und nach dem Verbrechen an ihrem Familienmitglied verlassen mussten. Der Täter wurde wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe verurteilt.
Die letzten Juden sind weggezogen
Heute leben nach unseren Informationen keine Menschen jüdischen Glaubens mehr in der zirka 6000 EinwohnerInnen zählenden Gemeinde. Die Überlebenden des Holocaust, sagte Claudia Schmidt von der Initiative gegen das Vergessen im Interview mit unserem Reporter, haben in den 1950er Jahren den Ort mit Ziel USA verlassen: „Die letzten zwei oder drei Juden, die hier noch bis vor wenigen Jahren lebten, sind nicht mehr da.“
Vertreter der Gedenk-Initiative begrüßten rund 40 Gäste zu der Veranstaltung, die am Vogtshof begann und am Alexanderring rund zwei Stunden später endete. Zum Ende hin sind wohl rund 100 Personen dem Aufruf gefolgt. Polizeikräfte begleiteten die Veranstaltung.
Stolpersteine kennzeichnen den Weg
Uwe Striegl, Claudia Schmidt und weitere Redner wie Martin Klein, Jörg Coura und David Mees führten den Spaziergang durch die Gassen und Straßen an. Die Route folgte einer von Rechtsextremisten, dem „Dritten Weg“, missbrauchten Strecke durch die Stadt. Die VertreterInnen der Initiative vermittelten an den Stellen, an denen Günter Demnig die Stolpersteine verlegt hat, Einblicke in Lebensabschnitte der deportierten Juden.
Immer präsente und friedfertige Antifaschistinnen begleiteten den Aufzug durchgängig. An verschiedenen Stationen entlang der Judengasse und Wilhelmstraße bis hin zur ehemaligen Synagoge wurde der Menschen gedacht, die dem Nazi-Terror zum Opfer gefallen sind – aber auch der Neubürger, die durch rechtsextreme Angriffe bedroht sind.
Rechte Störer pöbeln Teilnehmer an
TeilnehmerInnen berichteten, dass vier Sympathisanten der völkisch-rechtsextremen Kleinst-Partei „Der Dritte Weg“ versucht hätten, die Gedenkveranstaltung durch das Verteilen von Flyern und durch Pöbeleien zu stören. Augenzeugen zufolge fielen Worte wie „asoziales Pack“ gegenüber den TeilnehmerInnen der Gedenkveranstaltung. Der Versuch, die rechtslastige, auf den Westerwald bezogene Propaganda zu verteilen, war offenbar fruchtlos. Beherzte Antifaschisten und Polizeikräfte sollen ihn unterbunden haben.
Deutliche Worte fanden Bürgermeister Peter Klöckner, Sebastian Hebeisen und ein Sprecher der Antifa Westerwald bei der Abschlusskundgebung am Alexander-Ring an der Gedenktafel für Nihad: „Nie wieder 1933. Wehret den Anfängen, zeigt keine Angst vor Nazis, bleibt aufmerksam, wachsam und jederzeit kritisch. Flüchtlinge sind willkommen!“.
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