Von Sandy Uhl – Gundremmingen. Die Atomkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima jähren sich 2016 zum dreißigsten beziehungsweiße fünften Mal. AtomkraftgegnerInnen erklären hierzu: „Und auch heute, im Hier und Jetzt, ist Atomkraft hochgefährlich. Wir fordern deshalb, den Atomausstieg zu beschleunigen!“ Sie rufen am Samstag, 23. April, zur Anti-AKW-Demo nach Gundremmingen. Die Veranstaltung beginnt um 13 Uhr am Atomkraftwerk (Dr. August-Weckesser-Straße 1).
Die Veranstalter weisen darauf hin, dass es vom Bahnhof in Offingen eine Anreiseunterstützung gibt. Von dort fährt ab 12 Uhr ein Shuttlebus nach Gundremmingen. Nach dem Ende der Demo fährt der Shuttlebus zurück zum Bahnhof Offingen.
Deutschlands gefährlichstes Atomkraftwerk
In Gundremmingen steht Deutschlands gefährlichstes Atomkraftwerk (AKW). Nur noch an diesem AKW in Deutschland gibt es 2 Siedewasserreaktoren quasi an einem Standort. Beide Blöcke sind zum ersten Male im Jahr 1984 ans Netz gegangen. Der kommerzielle Leistungsbetrieb begann am 19.07.1984 für Block B und am 18.01.1985 für Block C. Nach dem Atomgesetz wird Block B am 31.12.2017 abgeschaltet, Block C am 31.12.2021. Block A, der ab 1966 betrieben wurde, erlitt am 13. Januar 1977 bei einem Störfall einen wirtschaftlichen Totalschaden. Er wird seit 1983 zurückgebaut. Insgesamt wurden vom AKW Gundremmingen seit 1984 über 200 Störfälle gemeldet.
Besonders gefährlich sind Siedewasserreaktoren, da sie nur einen Hauptkreislauf haben und die Steuerstäbe von unten und gegen die Schwerkraft in den Reaktor gedrückt werden müssen. Die zwei Abklingbecken in Gundremmingen, mit jeweils über 2000 verbrauchten und extrem strahlenden Spaltelementen („Brennelementen“), liegen außerhalb des Sicherheitsbehälters.
Risikostudie über das AKW Gundremmingen
Im Zusammenhang mit einer vom AKW Gundremmingen beantragten Leistungserhöhung – die im Dezember 2013 zurückgezogen wurde – erstellte Univ.-Prof. Wolfgang Renneberg (Experte für Atomsicherheit) unter Mitwirkung von Dipl. Ing. Dieter Majer (ehemaliger Bundesatomaufseher) im November 2013 eine Risikostudie über das AKW. Auftraggeber dieser Studie war der Verein „Forum gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik“ (Abkürzung: „Das Forum“). Bemängelt wurde u.a. dass die Konstruktion des Reaktordruckbehälters nicht dem Stand der Technik entspricht. Außerdem entspricht der Nachweis, dass das Not- und Nachkühlsystem, welches den Reaktor insbesondere bei Störfällen vor einer Kernschmelze schützen soll, nicht den aktuellen „Sicherheitsanforderungen an Kernkraftwerke“.
Weitere Infos:
http://www.atommuell-lager.de/aktuell/Risiken%20des%20Betriebs%20des%20Kernkraftwerks%20Gundremmingen.pdf
Weitere Risiken durch terroristische Angriffe
Gundremmingen ist ein schlecht geschütztes AKW gegen Flugzeugabstürze. Eine geheim gehaltene Studie der deutschen „Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit“ über die Terror-Anfälligkeit von Atomkraftwerken wurde vom Nachrichtenmagazin NEWS veröffentlicht. Zitat:
„Terroristen sind mit jeder Art von Passagierflugzeug in der Lage, den atomaren Super-GAU auszulösen. Wenn nur ein Triebwerk eine Reaktorgebäudewand durchdringe und einen Brand auslöse, sei die Beherrschung des atomaren Ernstfalls „fraglich“. Selbst ein „Treffer des Daches des Reaktorgebäudes durch Wrackteile mit Absturz eines Dachträgers in das Brennelementbecken“ führe zu einer „begrenzten Freisetzung“ von Radioaktivität aus dem Brennelementlagerbecken. Wird in diesem Fall auch noch Kühlwasser verloren und entsteht ein Treibstoffbrand – wie es beim World Trade Center der Fall war – rechnen die Experten mit „erheblicher Freisetzung aus dem Brennelementlagerbecken“.
Panzer- und bunkerbrechende Waffen aller Art gehören leider schon lange zum gängigen Waffenarsenal im Bereich des Terrorismus. Ein Terror-Anschlag mit „modernen“ panzerbrechenden Waffen auf das AKW Gundremmingen hätte verheerende Auswirkungen.
Zwischenlager Gundremmingen
Mit 192 CASTOR-Stellplätzen für Hochrisiko-Atommüll entsteht in Gundremmingen zudem Deutschlands größtes Atommüll-Lager. Derzeit befinden sich knapp 50 Castoren im Zwischenlager. Jeder der fünfeinhalb Meter hohen Behälter aus speziellem Gussmaterial enthält 52 Brennelemente, die für den Kraftwerksbetrieb nicht mehr verwendet werden können. In jedem einzelnen Castor ist soviel langlebiges Inventar enthalten, wie insgesamt 1986 bei der Katastrophe von Tschernobyl freigesetzt wurde. Mit dem Betrieb des Atommüll-Lagers wächst die Bedrohung durch eine Strahlenverseuchnung um ein vielfaches. Der dort abgestellte Atommüll muss über 1 Million Jahre sicher vor Mensch, Tier und Pflanze abgeschirmt werden, damit er keinen Schaden anrichten kann.
Jahrelanger Kampf
Für ein sofortiges Abschalten des AKW Gundremmingen und gegen das dortige Zwischenlager kämpfen seit vielen Jahren die Mitglieder der Mahnwache Gundremmingen, allen voran Thomas Wolf, und der Verein „Forum gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik“.
Seit 1989 steht die Mahnwache Gundremmingen jeden Sonntag um 15 Uhr vor dem AKW, um der Opfer der Atomindustrie zu gedenken. Dabei leisten die Mitglieder, wenn notwendig, auch eingreifenden zivilen Ungehorsam und stehen auch persönlich und öffentlich für ihr Handeln ein.
Thomas Wolf von der Mahnwache Gundremmingen wird an der Demonstration am Samstag, 23. April 2016, in Gundremmingen, die von diversen Organisationen, Parteien und Regionalverbänden des BUND unterstützt wird, nicht nur als Moderator auftreten, sondern auch als Singer-Songwriter. Seine kritischen Liedtexte, die größtenteils politisch ausgelegt sind, wurden bei bisherigen Aktionen rund um das AKW Grundremmingen begeistert beklatscht.
Trotz jahrelangem Kampf, der einem Kampf gegen Windmühlen gleicht, haben Wolf und Ulli Brenner, Vorständin des Forums, die Hoffnungen für ein früheres Abschalten des AKW Gundremmingen nicht aufgegeben.
Die Forderung von Brenner ist ganz klar, dass 2017 beide Blöcke des AKW Gundremmingen abgeschaltet werden. Wolf ergänzt: „Wir müssen Druck machen. Es ist schlicht und ergreifend zu gefährlich weiter AKWs zu betreiben, wenn man jetzt die aktuelle Terrorlage betrachtet. Außerdem produzieren wir mit jedem Tag weitere Kosten und die Energiewende wird verzögert, wenn AKWs weiterlaufen.“
Vier bedeutende Jahrestage waren Anlass eine weitere Demonstration – drei Großdemonstrationen wurden bereits seit 2011 durchgeführt – zu stemmen: 50 Jahre AKW Gundremmingen, 30 Jahre Tschernobyl, 10 Jahre Zwischenlager Gundremmingen und 5 Jahre Fukushima.
Wolf erhofft sich ein großes Medienecho, nachdem die Medien bereits jetzt „auf die Jahrestage anspringen.“ Die Organisatoren freuen sich auf viele TeilnehmerInnen, um ein großes Zeichen zu setzen.
Demoaufruf: http://www.atommuell-lager.de/fuku2016/files/AufrufDemo23.4.16.pdf
Weitere Infos zum Ablauf: http://www.atommuell-lager.de/fuku2016/Main.php
Folge uns!