Von PeJo Berber – Berlin. Gut 1000 Menschen-Kurden, aber auch türkische Oppositionelle, deutsche Antifaschisten und viele Studenten – haben sich letzte Woche kurzfristig am Alexanderplatz in Berlin zusammengefunden, um gegen das Massaker des türkischen Staates in Cizre gegen kurdische Zivilisten zu protestieren.
Zwischen 8. und 9. Februar sind unter anderem in der Stadt Cizre mindestens 20 Zivilisten, darunter Kinder und Frauen, lebendig bei einem Angriff türkischer Sicherheitskräfte verbrannt. „Deutschland finanziert, Erdogan bombardiert“, wurde gerufen. Pure Heuchelei der Bundesregierung, so hieß es, die Sorge um die Flüchtlinge aus Aleppo, wenn solche Massaker des Verbündeten Türkei gleichzeitig totgeschwiegen und sogar gestützt werden.
Doppelbödige Politik der Bundesregierung
In den Reden wurde betont: Die umfassende Unterstützung der türkischen Politik ist keine Ursachenbekämpfung der Flüchtlingswelle, sondern treibt die Probleme weiter voran. Sie ist Hilfe für Staatsterror gegen die Kurden und demokratische Oppositionelle, Hilfe zum Bau einer 900 Kilometer langen Mauer zur Abschottung gegen syrische Kriegsflüchtlinge sowie zur Abwehr von demokratisch gesinnten Rückkehrern in die befreiten und demokratisch verwalteten Regionen von Rojava. Sie ist Rückendeckung für direkte Hilfseinsätze der türkischen Armee zugunsten des IS in der nordsyrischen Grenzstadt Jerabulus sowie Behinderung humanistischer Hilfskorridore.
Ein Narr der glaubt, dass ein größerer Teil der an die Tuerkei geplanten 3 Milliarden Hilfsgelder direkt notleidenden Flüchtlingen zugute kommt. Getarnt unter dem Mantel einer Schutzzone soll die weiter stattfindende Zusammenarbeit der Türkei mit dem IS und verwandten islamistischen Terrorgruppen wie zum Beispiel Al Quaida gesichert und die türkische Hegemonie auf weite Teile Nordsyriens ausgedehnt werden.
Rojava ist ein Hoffnungsschimmer
Eine Rede stellte ausführlich dar, wer hier durch die Türkei mit Duldung und Unterstützung der Bundesregierung tatsächlich verfolgt und diffamiert wird. Es ist ein Frontalangriff auf Demokratie, Toleranz und Selbstbestimmung. Die Kurden und ihre Verbündeten unter Führung der PKK und ihrer Schwesterorganisationen führen im Nahen Osten den effektivsten Kampf gegen IS und fundamentalistischen Rassismus und Terror.
Vor allem ihr Kampf um Kobane und Rojava und der Aufbau eines basisdemokratischen sozialen Gemeinwesens unter gleichberechtigter toleranter Einbeziehung aller Volksgruppen, Religionen und Frauen wie Männer ist das positive Gegenmodell zur sonst vorherrschenden Spirale von Krieg, Terror und Intoleranz sowie einer von Kapital und Resourceninteressen getriebenen Hegemoniepolitik. Wer Fluchtursachen ernsthaft bekämpfen will, sollte diese Bewegungen solidarisch kritisch und nach Kräften unterstützen. Selbst der CDU Fraktionsvorsitzende Volker Kauder nannte das PKK-Verbot vor einigen Monaten überdenkenswert, will aber heute angesichts der neu ausgebauten Komplizistenschaft mit der Türkei nichts mehr davon wissen.
Alle Bombardements müssen aufhören
„Was tun?“, fragten sich die Versammelten. Sie wollen Druck aufbauen hier in Europa. Ihre Forderung: Alle Gelder an die Türkei stoppen , dafür die UN Flüchtlingshilfe unterstützen und ausbauen, weder Waffen an die Türkei noch logistische Unterstützung durch Aufklärungsflüge und last not least Aufhebung des Verbots der PKK sowie Unterstützung zur Bildung eines humanitären Korridors für Versorgungslieferungen an Rojava und Kobane und alle anderen Flüchtlinge. Sofortiger Stopp aller Bombardements. Alle kurdischen Vertreter mit an den UN Verhandlungstisch zu Syrien, Öffnung der türkischen Grenzen für Rückkehrer in die selbstverwalteten Gebiete. Sie riefen dazu auf, die von Vertretern internationaler Ärzte- und Juristenverbänden initiierte Petition zu unterschreiben:
Aktuelle Entwicklung gibt wenig Hoffnung
Die Tinte der Vereinbarung zum Stopp aller Bombardements in München am Wochenende (mit Ausnahme auf IS und verwandte islamistische Terroristen) ist noch nicht trocken und schon ist es die von der Bundesregierung besonders gestützte Türkei, die weiter zündelt und zur direkten Bombardierung der befreiten Gebiete Nordsyriens übergeht. Diese Politik ist Brandstifterei und riskiert den unmittelbaren Zusammenstoß zwischen NATO und Russland.
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