Von Andreas Scheffel – Rottenburg. Eine 25 Mitglieder starke Ermittlungsgruppe der Polizei sucht nach der Ursache des Brands in einem Flüchtlingsheim in Rottenburg im Kreis Tübingen. Das Feuer wurde in der Nacht auf Montag, 7. September, gegen 2 Uhr gemeldet. Sechs Flüchtlinge wurden bei dem Brand verletzt. Das Asylheim ist völlig zerstört. Die 84 BewohnerInnen – überwiegend aus Gambia und aus Balkanstaaten – kamen zunächst in der örtlichen Festhalle unter. Am Rottenburger Bahnhof ist am Dienstag, 8. September, um 19 Uhr eine Protestkundgebung geplant.
Zu der Kundgebung rufen Kulturschock Zelle aus Reutlingen und die Antifaschistische Aktion (Aufbau) AfA Tübingen auf. Ihr Motto: „Enough is enough! – Solidarität mit allen Geflüchteten, Refugees welcome!“ Zug-Abfahrt am Tübinger Hauptbahnhof ist um 18.20 Uhr. Stuttgarter KundgebungsteilnehmerInnen treffen sich um 17.45 Uhr vor dem Zentrum Lilo Herrmann in Heslach.
Am Montagabend wurden die Bewohner der abgebrannten Container-Unterkunft in die Kreissporthalle nach Tübingen verlegt. Sie sollen aber möglichst bald wieder nach Rottenburg zurückkehren, wo sie sich bereits eingelebt hatten.
Flüchtlinge konnten sich selbst retten
Ein Jugendlicher sitzt vor der zerstörten Unterkunft. Er spricht gebrochen Englisch. „Wir haben Angst, wohin sollen wir jetzt“, sagt er. „Wir haben alles verloren.“ In Baden-Württemberg ist erstmals in der jüngeren Vergangenheit ein Feuer in einer bewohnten Flüchtlingsunterkunft ausgebrochen. Derzeit sind im Landkreis Tübingen 1250 Flüchtlinge untergebracht, in Rottenburg sind es 360. Die Brandursache ist noch unbekannt. Ein technischer Defekt kommt ebenso in Frage wie ein Versehen oder bewusste, womöglich von Ausländerhass und politischem Kalkül motivierte Brandstiftung.
Über 100 Feuerwehrleute waren in der Nacht auf Montag im Einsatz, ebenso das Rote Kreuz. Die Feuerwehr konnte jedoch zunächst nicht in die lichterloh brennenden Wohncontainer hinein und musste von außen löschen. Umso größer war die Erleichterung, als sich herausstellte, dass sich alle BewohnerInnen hatten retten können, nachdem die Brandmelder angeschlagen hatten.
Feuer entstand im Inneren der Container
Im Lauf des Vormittags konnte das Feuer gelöscht werden. Zwei Bewohner der Unterkunft hatten sich Knochenbrüche zugezogen, als sie wie viele andere aus dem Fenster sprangen. Ein Mann trug seine drei Kinder einzeln ins Freie. Drei Menschen atmeten nach Polizeiangaben Rauchgas ein. Ein weiterer erlitt eine Schulterverletzung. Die BewohnerInnen der Unterkunft verloren durch das Feuer jedoch auch die wenigen Habseligkeiten, die sie sich nach ihrer Flucht wieder hatten beschaffen können – viele auch ihre Papiere.
Bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am Montag um 11 Uhr im Rathaus von Rottenburg sagte Karlheinz Neuscheler, der zuständige Dezernent des Landratsamts: „Wir wissen, dass der Brand mit sehr großer Wahrscheinlichkeit im Inneren der Container entstanden ist. Die Brandursache ist jedoch noch völlig unklar, daher wird in alle Richtungen weiter ermittelt.“ Bei aller Tragik sei der Brand noch glimpflich ausgegangen, befand Landrat Joachim Walter. Oberstaatsanwalt Martin Klose, Polizeipräsident Hans Dieter Wagner, Oberbürgermeister Stephan Neher und Kreisbrandmeister Marco Buess standen ebenfalls Rede und Antwort.
Obdachlose Flüchtlinge kampierten auf Decken
Die BewohnerInnen des Flüchtlingsheims, das schon nahezu ein Jahr bewohnt war – unter ihnen auch zwanzig Kinder – wurden zunächst in die Rottenburger Festhalle gebracht. Dort gab es Decken, erst am Morgen wurden auch Feldbetten gebracht. Das Rote Kreuz kümmerte sich um die Menschen. Auch fünfzig Freiwillige waren im Einsatz. Die leitende Notärztin Lisa Federle sorgte dafür, dass Spielsachen organisiert wurden. Schließlich hätten die Kinder nichts mehr, womit sie sich beschäftigen können.
In den vergangenen Monaten hatte es in Baden-Württemberg mehrere Brandstiftungen in geplanten Flüchtlingsunterkünften gegeben, vermutlich mit fremdenfeindlichem Hintergrund. Im August legten Unbekannte ein Feuer in einer geplanten Flüchtlingsunterkunft in Weissach im Tal. Im Juli brannte eine geplante Asylbewerberunterkunft im badischen Remchingen ab. Erst in der Nacht zum Sonntag hatte es erneut einen Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft gegeben. Unbekannte warfen eine Rauchbombe in die Hofanlage eines Hauses in Neckargemünd, in dem unter anderem rund 50 Flüchtlinge leben. Die Polizei schließt auch hier einen fremdenfeindlichen Hintergrund nicht aus.
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