Von Michael Janker – Stuttgart. Bei der jüngsten „Demo für alle“ einer rechten Allianz um so genannte Bildungsplangegner trat erneut die Theatergruppe Hirschbambule auf. Sie versuchte, mit Mitteln der Kunst ein Zeichen gegen Homophobie, Rassismus und Klerikalfaschismus zu setzen. Hier der Rückblick von Michael Janker, der selbst an der Aktion teilgenommen hat.
Anmelderin der unheiligen Allianz war Frau von Beverfoerde aus dem hohen Norden der BRD. Die Dame ist bestens bekannt als Zeugin in verschiedenen Strafverfahren, die in gleicher Sache vor dem hiesigen Amtsgericht anhängig sind.
Neben einer Vielzahl von anderen Organisationen wollte auch die Theatergruppe Hirschbambule – in bewährter Zusammenarbeit mit dem Württembergischen Kunstverein – mit den Mitteln der Kunst ein entschlossenes Zeichen gegen dieses Konglomerat aus Klerikalfaschisten, Rechtskonservativen und in immer größerer Anzahl auftretenden Neonazis setzen.
An diesem Tag zeigte sich aber auch wieder einmal, dass nicht nur diese unangenehme Ansammlung von Rassisten etwas gegen die Kunstfreiheit haben. Gerade die sie beschützenden Polizisten waren nicht erfreut über das Auftreten unserer Theatergruppe, wie sich im weiteren Verlauf des Tages erweisen sollte.
Extra neu geschneiderte Kostüme
Gegen 12.30 Uhr kamen es bereits zu ersten unerwünschten Kontakten mit den Cops. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich einige Mitglieder von Hirschbambule in ihren extra für diesen Anlass neu geschneiderten Kostümen auf dem Platz vor dem Württembergischen Kunstverein auf. Es war zunächst nur ein Streifenwagen mit zwei Beamten, der auf uns aufmerksam wurde.
Die zwei Insassen des Wagens bewegten sich äußerst misstrauisch und etwas schwerfällig auf uns zu. Sie schienen auch nicht gerade Meister der Rhetorik zu sein, denn außer einem Geblafften „Wer seid ihr?“ und „Was soll das hier?“ wurde von ihnen nicht viel gesprochen.
Da auch wir etwas einsilbig waren, suchte einer der Beamten das Gespräch mit dem Verantwortlichen des Württembergischen Kunstvereins, der ihn überzeugen konnte, dass es sich hier um eine Kunstaktion handelt.
Daraufhin zogen die beiden missmutig ab. Die Sache schien bereinigt, allerdings nicht lange, wie sich kurz darauf herausstellte.
Die Polizei fuhr vor, und dann war es wie im Krimi
Gegen 13 Uhr versammelten wir uns auf einem Platz neben dem Württembergischen Kunstverein für ein kleines Gruppenfoto. Just in diesem Moment kam ein Mannschaftswagen der Polizei angerast und bremste direkt vor uns. Es war fast wie im Krimi, die Türen wurden aufgerissen, und eine BFE-Einheit sprang kampfbereit heraus.
Die Damen und Herren dieser Einheit waren im Auftreten deutlich motivierter und besser in Form als ihre Kollegen kurz zuvor. Sie schienen uns als eine fremde Spezies anzusehen, was durch grimmige Blicke und aggressives Auftreten deutlich wurde. Kommunikation schien aber auch ihnen ein Fremdwort zu sein, es blieb beim „Was soll das hier, wer seid ihr?“. Immerhin waren sie noch in der Lage, uns mündlich mitzuteilen, dass sie unsere Ausweise sehen wollen.
Polizei: „Man kann ja nicht überall sein“
Nach langem Hin und Her sahen wir uns dann durch das zunehmende forsche Auftreten der Beamten doch genötigt, tatsächlich unsere Ausweise auszuhändigen. Ihr Truppführer verschwand mit unseren Dokumenten zwecks Vorratsdatenspeicherung im Inneren ihres Busses. Auf unsere Fragen nach ihren Ausweisen und dem damit verbundenen Hinweis, das sie ja möglicherweise auch nur eine verkleidete Schauspieltruppe seien könnten, erhielten wir keine Auskunft.
Ich bin heute fest überzeugt, dass die Beamten alles daran gesetzt hätten, unsere Kunstaktion zu verhindern. Glücklicherweise gelang es den Verantwortlichen des Württembergischen Kunstvereins auch hier, vermittelnd zu intervenieren. Letztlich erhielten wir unsere Ausweise zurück, zusammen mit dem Hinweis, das unsere Kostüme eine Provokation für andere „Bürger“ darstellten. Man könne ja nicht ausschließen, dass unsere „Provokation“ dazu führen werde, dass es dann genau durch diese „Bürger“ zu Übergriffen kommen könnte.
Dies überraschte uns doch sehr. Auf unsere Frage, ob es denn nicht Aufgabe der Polizei sei, genau solche Übergriffe zu verhindern, kam die lapidare Antwort „man kann ja nicht überall sein“.
Nachholbedarf in Fragen der Presse- und Kunstfreiheit
Um es vorab zu sagen: Wir wurden später noch mehrfach gestoppt. Verschiedene Polizeieinheiten an verschiedenen Orten wiesen uns sehr bestimmt auf das Vermummungsverbot hin. Speziell die an der Prozession beteiligten Ku-Klux-Männer schienen den Cops verwunderlicherweise ein Dorn im Auge zu sein. „Wenn nur durch ein Lüftlein die Kapuze ins Gesicht fällt, gibt es Ärger“ war so ein Hinweis Der Funkverkehr schien auch zu funktionieren: „Sie wurden doch schon darauf hingewiesen …“ Die ganze Angelegenheit war auch ein deutlicher Beleg dafür, dass in der Polizeiausbildung noch ein Nachholbedarf zu Fragen der Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit besteht.
Ja, so müssen sich im Mittelalter die armen Bettelmönche gefühlt haben, wenn sie von gut gepanzerten Rittersleut‘ überfallen und ausgeplündert wurden.
Hinweise auf ähnliche Vorkommnisse gibt es aber auch aus der Moderne: Erst vor kurzem sollen im Raum Garmisch feierliche Fronleichnamsprozessionen von gepanzerten Rittern gestoppt worden sein.
Prozession mit gregorianischen Gesängen
Nach diesen unerfreulichen Geschehnissen konnte sich unsere feierliche Prozession endlich in Bewegung setzen.
Angeführt von einem hohen Geistlichen und seinem persönlichen Adlatus bewegte sich zu heiligen gregorianischen Gesängen eine Gruppe von Bettelmönchen und -nonnen in stummer Demut durch die Stuttgarter Innenstadt. Eine Abordnung von zwei Brüdern des Ku-Klux-Klan war zum Schutze dieser inbrünstigen Prozession ebenfalls herbeigeeilt.
Unserem hohen Geistlichen war es gelungen einem schwarzen Schaf der Gemeinde ein billiges Sexheftchen zu entreißen, welches er nun anklagend mitführte, um damit auf die Verderbtheit der Welt hinzuweisen. Die ebenfalls mitgeführte Spendentasse diente nicht nur zum Sammeln der Kollekte. Es ist davon auszugehen, dass ein gewisser Anteil der Spenden auch der psychotherapeutischen Behandlung des ursprünglichen Sexheftbesitzers zugute kommt.
Selbstgeißelung beim Anblick der Bildungsplangegner
So etwas dürfte ja auch den Bildungsplangegnern bekannt sein, die Homosexualität für eine behandelbare „Krankheit“ halten.
Über die Schrecken, der unsere Brüder und Schwestern in der weltlichen Gegenwart gewahr wurden, waren sie so entsetzt, dass sie sich die mitgeführten Kreuze in bewährter Selbstgeißelung immer wieder an den Kopf schlugen. Vor allem im Bereich des Schillerplatzes nahm diese Selbstgeißelung geradezu die Form eines Martyriums an. Das Entsetzen beim Anblick der Bildungsplangegner war so groß, dass unsere armen Brüder und Schwestern die Kreuze dabei auch noch falsch herum hielten.
Unsere Prozession dauerte dem gebührendem Anlass entsprechend sehr lange. Gemessenen Schrittes bewegten wir uns vom Württembergischen Kunstverein über Schlossplatz und Karlsplatz bis zum Schillerplatz.
Statt Bibeln die „Junge Freiheit“ im Wagen
Ein Besuch bei den dortigen Teilnehmern der Homophobendemo wurde uns von den dort stationierten Beamten leider nicht gestattet. Zu unserer Überraschung waren die leider reichlich zum Veranstaltungsort strömenden Bildungsplangegner von unserem Auftritt auch nicht sehr erbaut. Wir beschlossen daher,unsere anklagende Prozession wieder zurück zum Schlossplatz fortzusetzen, nicht ohne uns zuvor in heiliger Demut vor dem in der Nähe geparkten Fahrzeug des Veranstalters der Homophobendemo zu verbeugen.
Zu unserem Verdruss befanden sich in diesem Auto keine Bibeln, sondern die „Junge Freiheit“.
Auf dem Rückweg statteten wir den Gegendemonstranten, die sich vor einer Absperrung in Höhe des Landesmuseums befanden, einen kleinen Besuch ab, um ihnen unseren geistlichen Segen für ihr wahrlich richtiges Anliegen mit auf den Weg zu geben.
Eine kleine Anekdote am Rande: Dort trat eine echte Nonne auf uns zu, um uns ihre Begeisterung über unsere Aktion zu zeigen.
BFE-Einheit besetzt Terrasse des Kunstvereins
Als wir am Ende unserer Kunstaktion wieder beim Württembergischen Kunstverein eintrafen, wartete da auch noch eine Überraschung auf uns: Direkt auf der dortigen Terrasse war eine behelmte BFE-Einheit stationiert. Sie ließ die Mitglieder der Hirschbambule zwar in Ruhe, verhinderte aber sehr konsequent, dass andere Leute durch den Kunstverein hindurch in den Park gelangten.
Als einigen Menschen der Durchgang verwehrt wurde, half da auch der Hinweis nicht, das diese Leute gerade zu Mitgliedern von Hirschbambule geworden waren, wir sind ja schließlich für jede/n offen. (Außer für gepanzerte Ritter, versteht sich.)
Alles in allem war diese Kunstaktion von Hirschbambule ein voller Erfolg. Es ist sehr gut gelungen, den sogenannten Bildungsplangegnern ihre Doppelmoral und Scheinheiligkeit in drastischer Weise wie einen Spiegel vorzuhalten. Sie werden wieder kommen. Wir aber auch. Und wir sind nicht allein.
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