Von Jens Volle – Fellbach. Über hundert Menschen verhinderten in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, 25. Juni, die Abschiebung eines jungen Gambiers, indem sie Zugänge zu seiner Unterkunft blockierten.
Am Mittwochnachmittag hatte sich schnell die SMS mit der Ankündigung verbreitet, dass in der kommenden Nacht ein junger Gambier nach Italien abgeschoben werden solle. Dort hatte er erstmals europäischen Boden betreten. Er war in einem Lager in Catania.
In Italien musste sich Modoulamin, so der Name des 23-Jährigen, seine Fingerabdrücke nehmen lassen. Er reiste nach Deutschland, ist aber hier nur geduldet, denn sein Asylantrag wurde vor fast einem halben Jahr wegen der ursprünglichen Ankunft in Italien abgelehnt. Wenn er am 1. Juli noch im Land ist, geht die Verantwortung für sein Asylverfahren auf die Bundesrepublik über.
Anwohner brachten heiße Getränke und Brezeln
Modoulamin hatte vor einigen Tagen ein Vorstellungsgespräch in Fellbach. Wenn er bleiben kann, bekommt er die Möglichkeit, ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Haus am Kappelberg zu machen, einer Seniorenwohnanlage und Pflegeeinrichtung. Er hat dort bereits hospitiert.
Über hundert Menschen folgten dem Hilferuf per SMS und kamen in der Nacht auf Donnerstag ab 1 Uhr zu der Flüchtlingsunterkunft in der Bruckstraße im Fellbacher Industriegebiet. Es kamen sowohl linke Gruppen und bürgerliche Initiativen wie der Freundeskreis Fellbach, als auch Anwohner aus der unmittelbaren Umgebung. Letztere brachten heiße Getränke, Brezeln und Obst mit, um den AktivistInnen das Warten in der Kälte angenehmer zu machen.
Flüchtlinge dankbar für den Schutz
Trotz der Ungewissheit, was passieren würde, war die Stimmung ruhig und entspannt. Zu den AktivistInnen gesellten sich auch immer mehr Geflüchtete, die zuerst etwas besorgt waren, da sie nichts von der drohenden Abschiebung wussten. Doch die Sorge wich sehr schnell der Dankbarkeit, dass so viele Menschen gekommen waren, denen ihr Wohlbefinden am Herzen liegt.
Gegen 3 Uhr kam schließlich ein Streifenwagen. Er passierte die Flüchtlingsunterkunft im Schritttempo und verschwand wieder. Spätestens jetzt dürfte den Behörden klar geworden sein, dass viele Menschen da waren und die Abschiebung nicht reibungslos über die Bühnen gehen würde.
Ein Polizist spricht von der Schlacht und vom Krieg
Trotz der drohenden Gefahr, dass die Polizei mit Verstärkung wiederkommen würde, blieb die Stimmung gelassen. Die AktivistInnen bereiteten sich darauf vor, mit zivilem Ungehorsam die Abschiebung zu verhindern. Sie stellten sich in den Gang zum Zimmer des Betroffenen und auf die Zugangstreppe.
Um 3.39 Uhr kam dann die Verstärkung in Form von vier Streifenwagen. Schlecht gelaunt kamen die BeamtInnen auf die AktivistInnen zu. Sie fingen ohne große Erklärungen sofort an, alle Menschen vor Ort, auch die anwesenden Pressevertreter, abzufilmen und zu fotografieren. Es dauerte aber keine zehn Minuten, bis sie einsahen, dass bei den vielen Menschen vor Ort eine Abschiebung ohne großen Aufwand und dem Ordern vieler zusätzlicher Polizeikräfte nicht möglich sein würde. Daraufhin verließen sie wieder den Ort des Geschehens. Ein Beamter mit den Worten: „Die Schlacht haben sie vielleicht gewonnen. Den Krieg aber gewinnen wir!“
Der 23-Jährige will sich eine neue Existenz aufbauen
Da es sehr danach aussah, dass keine Polizei mehr kommen würde und schon einige Menschen nach Hause gegangen waren, wurde beschlossen die Aktion zu beenden.
Der gute Informationsfluss und die Solidarität vieler Menschen haben dafür gesorgt, dass eine Abschiebung verhindert wurde und ein 23-Jähriger seinem Ziel, im Stuttgarter Raum eine Existenz aufzubauen, ein Stückchen näher gerückt ist.
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