Stuttgart. Nach der Pegida-Kundgebung am Sonntag, 17. Mai, auf dem Stuttgarter Kronprinzplatz ließ die Polizei die Teilnehmer in zwei eigens gecharterten Bussen der städtischen Verkehrsgesellschaft SSB wegbringen. Die Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-Plus im Stuttgarter Gemeinderat zeigt sich empört und hat eine Anfrage zu den Hintergründen bei der Stadtverwaltung eingereicht. Eine „Stadtrundfahrt für Rassisten“ sei inakzeptabel.
Die Polizei forderte nach Angaben des Verkehrsunternehmens gegenüber den „Stuttgarter Nachrichten“ zuletzt 2006 bei der Fußball-WM bei der SSB Fahrzeuge an. Die Bustour für Pegida am Sonntag sorgte nicht nur bei SÖS-LINKE-Plus für Irritation – erst recht, da die fremdenfeindliche Organisation selbst ein für die Gesinnung ihrer Anhänger aufschlussreiches Video über den Abtransport ins Netz stellte.
Inzwischen gab es einen nächtlichen Farbanschlag auf eine SSB-Filiale, und es wurde die Parole „Keine Busse für Pegida“ an eine Betonmauer gesprüht, heißt es in Berichten auf dem Online-Portal „Indymedia“. Die Polizei rechtfertigt sich für das Anfordern der Busse mit dem Hinweis auf ein „Gefahrenpotenzial“ beim Abtransport der höchstens 200 bis 300 Pegida-Anhänger, denen am Sonntag ungefähr 4000 GegendemonstrantInnen gegenüber standen. Die Behörde dementiert jedoch Gerüchte, Pegida-Anhänger seien auch mit Bussen zum Kundgebungsplatz gebracht worden.
Die Pegida-GegnerInnen hätten „für Vielfalt und gegen jede Form von Rassismus demonstriert. Das war ein wichtiges und deutliches Zeichen für unsere Stadt: In Stuttgart ist kein Platz für Rassisten!“, schreiben SÖS-LINKE-Plus in einer Pressemitteilung über die Demonstration unter einem großen Polizeiaufgebot (wir berichteten). Das Pegida-Publikum habe „zu einem nicht unerheblichen Teil aus bekannten gewaltbereiten Nazis“ bestanden. Viele StuttgarterInnen hätten daher an den Zugängen zum Kundgebungsplatz ausgeharrt und deutlich gemacht, „dass solche Propaganda und ihre VertreterInnen keinen Platz in Stuttgart haben“.
Weiter heißt es in der Mitteilung von SÖS-LINKE-Plus: „Mit Erstaunen mussten wir miterleben, dass die An- und Abfahrt dieser Verfassungsfeinde durch Busse der städtischen SSB durchgeführt wurden. Auf der einen Seite setzten viele StuttgarterInnen ein deutliches Zeichen gegen Rassismus und auf der anderen Seite organisiert ein Tochterbetrieb der Stadt eine Stadtrundfahrt für Rassisten. Das ist inakzeptabel“, so der Fraktionsvorsitzende Hannes Rockenbauch.
Die Bereitstellung von SSB-Bussen für die Pegida-Demonstration sei für die Fraktionsgemeinschaft nicht nachvollziehbar. Sie habe daher eine Anfrage an das Ordnungsamt der Stadt Stuttgart und an den SSB-Vorstand gestellt. „Auf wessen Veranlassung haben die SSB diese Busse zur Verfügung gestellt? Wenn sich herausstellen sollte, dass die Stadt Stuttgart direkt an diesem Vorgang beteiligt war, dann wäre das eine Ohrfeige für die Zivilgesellschaft in Stuttgart“, so Stadträtin Laura Halding-Hoppenheit (Die Linke).
Die Anfrage von SÖS-LINKE-Plus an das Ordnungsamt und den SSB-Vorstand im Wortlaut:
Am Sonntag 17. Mai haben 4.000 Menschen in Stuttgart für Vielfältig und gegen jede Form von Rassismus demonstriert. Das war ein wichtiges und deutliches Zeichen für unsere Stadt: In Stuttgart ist kein Platz für Rassisten! Anlass dieser Demonstration war die erste sogenannte „PEGIDA“-Demonstration in Stuttgart. Diese fand unter großen Polizeiaufgebot auf dem Kronprinzplatz statt. Viele Stuttgarter_innen harrten an den Zugängen zum Kundgebungsplatz aus und machten damit klar, dass solche Propaganda und ihre Vertreter keinen Platz in Stuttgart haben. Das Pegida-Publikum, das zu einem nicht unerheblichen Teil aus bekannten gewaltbereiten Neonazis bestand, wurde schließlich mit Bussen der SSB vom Kundgebungsort verbracht. Auf der einen Seite setzen viele Stuttgarter_innen ein deutliches Zeichen gegen Rassismus und auf der anderen Seite organisiert ein Tochterbetrieb im Alleineigentum der Stadt, die Stuttgarter Straßenbahnen AG, eine Stadtrundfahrt für Rassist_innen. Die Bereitstellung von SSB-Bussen für die PEGIDA-Demonstration ist für uns inakzeptabel.
Folgende Fragen möchten wir umgehend vom Ordnungsamt der Stadt Stuttgart sowie vom SSB-Vorstand beantwortet haben:
# Auf wessen Veranlassung haben die SSB diese Busse zur Verfügung gestellt?
# Warum standen keine Polizeibusse oder Busse freier Reiseveranstalter zur Verfügung?
# Wie wurde diese Überlassung vertraglich geregelt?
# Wer war Vertragspartner – Stadt, Polizei oder Veranstalter?
# Wer trägt die Kosten für diese Fahrten mit den SSB-Bussen?
# Wurde für diese Fahrzeuggestellung vom Veranstalter eine extra Haftpflichtversicherung verlangt und abgeschlossen?
# Wurden die eingesetzten Fahrer vorher über ihren Einsatz in Kenntnis gesetzt und hatten sie die Möglichkeit diesen zu verweigern?
# Die PEGIDA-Demonstranten wurden an den Pragsattel verbracht und sind dort in die Straßenbahn umgestiegen. Zufällig anwesende Augenzeugen berichten, daß am Bahnsteig keinerlei Fahrausweise erworben wurden. War die kostenlose Rückfahrt in die Innenstadt Teil des „Veranstaltungspakets“?
# Wurden die PEGIDA-Demonstranten in den Bussen darauf hingewiesen, dass eine Weiterfahrt mit der SSB kostenpflichtig/-frei ist?
# Warum waren am Pragsattel keinerlei Polizeikräfte zum Schutz der Passanten und der Fahrgäste in den betreffenden Stadtbahnen anwesend? Nach Berichten von Augenzeugen trafen solche erst einige Zeit nach Abmarsch der gewaltbereiten Neonazis ein.
# Wann und warum wurden die in der Innenstadt noch in großer Zahl zum Schutz des Pegida-Publikums anwesenden Polizeikräfte nicht zum Schutz der zufällig anwesenden Passanten und Fahrgäste am Pragsattel eingesetzt?
# Hat die SSB in den Fahrzeugen, die den Weitertransport der PEGIDA-Demonstranten vom Pragsattel übernahmen, eigenes Sicherheitspersonal zum Schutz der übrigen Fahrgäste eingesetzt?
Siehe auch unseren Bericht „Starker Widerstand gegen Pegida„
Folge uns!