Von Andreas Scheffel – Dresden. Am Vorabend wirkt alles noch idyllisch. Um den Platz vor der Semperoper wehen Fahnen. Großtransparente und an der Oper angebrachte Schilder skizzieren ein Bild, als ob Dresden eine weltoffene Stadt wäre. Doch am Dienstagmorgen, 3. März, offenbart sich für Flüchtlinge und Unterstützer eines Protestcamps etwas anderes: Die Polizei beginnt im Auftrag der Stadt, das Camp abzubauen, ehe Flüchtlinge und Unterstützer notgedrungen von selbst gehen.
Polizeieinsatzkräfte sammelten sich am Morgen am Theaterplatz an der Semperoper neben dem Flüchtlingscamp. Sie versuchten um 8.30 Uhr im Auftrag der Stadt, die Zelte des Protestcamps der Flüchtlinge vor der Oper abzubauen. Die Flüchtlinge und deren Unterstützer ließen den Abbau nur kurzzeitig zu und bauten das Camp unter Sicht von Beamten selbst weiter ab.
Die Flüchtlinge hatten das Camp am Samstag nach einer Demonstration errichtet, weil ein Pegida-Aufmarsch zu erwarten war. Rund 150 Pegida-Anhänger, darunter Neonazis, marschierten am Montagabend zur Semperoper und attackierten die Camper und ihre Unterstützer. Etwa zwei Dutzend Angreifer versuchten, den Platz zu stürmen. Die anderen forderten verbal dessen sofortige Räumung. Die Angreifer skandierten Parolen wie „Deutschland den Deutschen“ sowie „Ausländer raus“. Überdies bewarfen sie die Unterstützer und das Camp mit Flaschen und Feuerwerkskörpern, so die Aussage von Zeugen.
Nur durch beherztes Eingreifen von mehreren hundert Unterstützern, die eine Schutzkette um das Camp der Flüchtlinge bildeten, konnte am Montagabend Schlimmeres verhindert werden. Das sagten die Unterstützer der Flüchtlinge. Sie sprachen von einem „offenbar koordinierten Übergriffsversuch“ aus zwei Richtungen der Pegida-Anhänger auf eine beim Camp stattfindende Kundgebung von Flüchtlingen und ihren Unterstützern von „Dresden für alle“, „Asylum Movement“ und „Dresden nazifrei“.
Laut Unterstützern habe die Polizei Durchbruchsversuche der Rassisten unter anderem mit einer Reiterstaffel abgewehrt. Die Polizei sicherte Aufgrund der Vorfälle den Platz vor der Semperoper mit Polizeikräften am Montagabend ab. In der Nacht zum Dienstag stand lediglich ein Polizeiwagen auf dem Theaterplatz. Rund um die Oper waren mehrere Polizeikräfte zur Sicherung sichtbar.
Mit dem Camp hatten Asylsuchende unter anderem die freie Wahl ihres Wohnortes, das Recht zu arbeiten, eine bessere Gesundheitsversorgung und die Anerkennung von Armutsflüchtlingen gefordert. Die Adressaten zeigten jedoch wenig Gesprächsbereitschaft. Vielmehr wurde das Protestcamp geräumt – nur ein paar Stunden, nachdem Anhänger von Pegida dies gefordert hatten.
Eine Sprecherin der Flüchtlinge, die nicht namentlich genannt werden möchte: „Wir wollen hier friedlich auf die Missstände hinweisen. Warum werden wir vom Staat wie Aussätzige oder Kriminelle behandelt“.
Hilfe vom Ausländerbeauftragten erhielten die Migranten nicht. Der Verfügung der Stadt müssten sie folgen, betonte CDU-Mann Geert Mackenroth in einem Interview mit dem Sender MDR und zog einen herablassenden Vergleich: „Jeder Falschparker wird abgeschleppt, und ich muss sagen, dass wir auch hier eine Art Vollzug brauchen“. Sprecher der Initiative „Refugee Struggle Dresden“ kritisierten hingegen auf einer Pressekonferenz den sächsischen Ausländerbeauftragen: „Mit dem Abbau des Lagers setzt man Flüchtlinge und Unterstützer schutzlos ihren Gegnern aus.“
Der Freistaat Sachsen setze mit seinem Handeln ein klares Zeichen für die Pegida-Bewegung, so die Unterstützer der Flüchtlinge. Der sächsische Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth (CDU) billigte, dass das Protestcamp vor der Dresdner Semperoper am Dienstagmorgen geräumt wurde. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht der Stadt Dresden eine Klage der Demonstranten gegen die Anordnung abgewiesen. Begründet wurde dies so: „Es besteht überwiegend öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung.“ Daraufhin schritt die Stadt Dresden ein, erklärte Zelte, Bänke und Toiletten für rechtswidrig.
Am Rande des Platzes vor der Semperoper wollten mehrere AfD-Politiker zu den Protesten durchdringen. Sie wurden jedoch von Unterstützern der Flüchtlinge daran gehindert und gebeten, sich zu entfernen. Ein suspekter Kameramann, der sich nicht auswies, bedrängte die Unterstützer und Flüchtlinge, indem er versuchte, gezielt Abbilder einzelner Flüchtlinge und ihrer Unterstützer anzufertigen. Unterstützer versuchten mehrmals, den Kameramann daran zu hindern, und erbaten schließlich Hilfe von Polizeikräften. Sie brachten den Kameramann auf Distanz.
Die Unterstützer und die Flüchtlinge kündigten an, weitere kreative Protestaktionen in naher Zeit vorzubereiten, um auf ihre Situation und das Fehlverhalten der Stadt aufmerksam zu machen.
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