Stuttgart. „Baden-Württemberg braucht einen Winterabschiebestopp für Flüchtlinge wie Thüringen.“ Beim Landesparteitag der Linken am Wochenende im Möhringer Bürgerhaus schwang stets der beflügelnde Gedanke an den Erfolg Bodo Ramelows mit. So etwa, als Sahra Mirow vom geschäftsführenden Landesvorstand den Parteitag vor ungefähr 200 Delegierten und Gästen mit einem Glückwunsch an die Thüringer GenossInnen eröffnete. Aber auch in der Rede des Bundesvorsitzenden Bernd Riexinger am Sonntag.
Niemand solle ausschließen, dass Rot-Rot-Grün Auswirkungen über Thüringen hinaus haben könne, so Bernd Riexingers Position. Aber es gebe keinen Automatismus. Die Strahlkraft von Rot-Rot-Grün müsse über den Erfolg kommen.
In seiner Rede kritisierte Riexinger die baden-württembergische Landesregierung. Sie habe „die Erwartungen in hohem Maß enttäuscht“. Es habe keinen wirklichen Politikwechsel gegeben. Viele WählerInnen wenden sich wieder der Linken zu, erklärte der Parteichefs. Hart ging er mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann ins Gericht. Dessen Zustimmung zur Anerkennung sicherer Drittstaaten bedeute die Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl. Die Grünen hätten sich von einer humanitären Flüchtlingespolitik verabschiedet.
Zu sparen um jeden Preis, Schulen verfallen zu lassen und hinzunehmen, dass es zu wenig Wohnungen gibt, sei „eine Bankrotterklärung für sozialdemokratische Politik“. Armut zu bekämpfen, sei für SPD und Grüne kein Thema – sehr wohl hingegen für die Linke.
Mit ihrer Kampagne „Das muss drin sein“ fordert die Partei eine Mindestsicherung ohne Sanktionen statt Hartz IV, gute und gut bezahlte Arbeit, bezahlbare Wohnungen und Energie, aber auch mehr Personal in Erziehung, Pflege und Gesundheit. Die Daseinsvorsorge dürfe nicht privatisiert, müsse vielmehr in die öffentliche Hand zurückgeholt werden. Es seien Zukunftsinvestitionen nötig. Public-Private-Partnership lehnt die Linke generell ab – ebenso so genannte Freihandelsabkommen wie wie TTIP und CETA.
Landesgeschäftsführer Bernhard Strasdeit sieht eine große Ähnlichkeit zwischen Kretschmann und Guido Wolf, dessen am Freitag gekürten Herausforderer von der CDU. Beide seien konservativ und gälten als Männer der Wirtschaft, allerdings nicht im Sinn der Arbeitnehmer. Strasdeit hält Schwarz-Grün für die wahrscheinlichste Koalition nach der Landtagswahl 2016. Umso wichtiger sei, dass die Linke als soziale Opposition ins Parlament gelangt.
Linke sieht sich als einzige Kraft gegen Militarisierung
Riexinger sieht für einen Erfolg seiner Partei gute Chancen. Er wollte eigentlich schon am Samstag zu den Delegierten sprechen, ließ dann jedoch Bundesvize Tobias Pflüger den Vortritt. Der Tübinger sprach über Antikriegspolitik. Bundespräsident Joachim Gauck habe offenbar die Hauptaufgabe, eine Rede nach der anderen zu halten, „um die Kriegsunwilligkeit der Bevölkerung kaputtzureden“. Die Linke als einzige parlamentarische Kraft gegen Militarisierung müsse dagegenhalten.
Die Bundesregierung vertrete zunehmend die Position, dass die Nato direkt an der russischen Grenze Truppen stationieren soll. Eine Eingreiftruppe unter deutscher Führung solle „als Speerspitze“ in den baltischen Staaten eingesetzt werden. „Wer eine solche Rhetorik pflegt, betreibt immer mehr die Politik des Kalten Krieges“, kritisierte Pflüger. Das sei das Gegenteil einer Politik von Realisten, die ungeachtet von Kritik am Vorgehen Wladimir Putins – eines Neoliberalen – erklärten „nein, wir wollen Russland nicht als Feind“.
Die zunehmende Aufrüstung der Nato verstärke eine Spaltung und sei ein Bruch mit der Ostpolitik Willy Brandts. In der Ukraine gebe es bereits 500 000 Flüchtlinge und 4350 Tote. Dabei habe es konkrete Vorschläge gegeben, den Konflikt zu vermeiden. Statt das Land zu zwingen, sich zwischen Eurasischer Union und EU zu entscheiden, hatte Österreich einen neutralen Status vorgeschlagen. „Das wäre wirklich deeskalierend gewesen“, sagte der frühere Europaabgeordnete. Nun gehe es darum, „dass dieser Krieg endlich beendet wird“. Dazu gehöre, Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen.
„Keine Waffenexporte, Eukom und Afrikom schließen!“
Derzeit befänden sich 3000 Bundeswehrsoldaten in 15 Auslandseinsätzen, sagte Pflüger. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wolle damit, dass Bundeswehrsoldaten ohne Parlamentsmandat Peschmerga-Kämpfer an deutschen Waffen ausbildeten, erklärtermaßen „ein Tabu brechen“ – das Tabu, keine Waffen an nicht-staatliche Kräfte und in ein Krisengebiet zu liefern. Das sei ein Bruch mit einer eine Reihe von Gesetzen – und geradezu lächerlich, von den Peschmerga die Unterschrift unter eine „Endverbleibsgarantie“ zu verlangen. „Wer Waffen in Kriegs- und Krisengebiete liefert, betreibt nichts anderes als Beihilfe zum Töten“, stellte Pflüger klar.
In Baden-Württemberg seien nicht nur wichtige Bundeswehr- und Nato-Einheiten stationiert. Das Land habe auch mit der Bodenseeregion (etwa MTU), Oberndorf (Heckler&Koch) und Stuttgart (Daimler-Benz) wichtige Zentren der Waffen- und Rüstungsindustrie. „Wir wollen, dass diese Industrie umgewandelt wird“, sagte Pflüger. Dabei habe die Linke Verbündete wie die IG Metall. Überdies müssten die Kommandozentralen Eukom und Afrikom in Stuttgart, von denen aus todbringende Drohneneinsätze gesteuert werden, geschlossen werden.
Die Eingangsrede des Parteitags hielt Heidi Scharf für den geschäftsführenden Landesvorstand. „Wir sind die Partei, die die gesellschaftliche Teilhabe eines jeden Menschen in diesem Land durchsetzen will“, sagte sie. Schatzmeister Christoph Cornides berichtete von einem funktionsfähigen Landesverband. Es gebe aber noch weiße Flecken auf der Landkarte. Ziel sei, die Zahl von derzeit 2700 Mitgliedern auf 3000 bis zur Landtagswahl zu steigern.
Der DGB-Landesvorsitzende Nikolaus Landgraf hielt ein Grußwort, ebenso Hasan Hüseyin Deniz von Naw-Dem, einem Dachverband kurdischer Vereine, und Janka Kluge, Landessprecherin der VVN-BDA. Am Samstagnachmittag setzte sich der Parteitag in fünf parallelen Arbeitsgruppen mit landespolitischen Themen auseinander.
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